ÖKOLOGISCHE UND SOZIALE AUSWIRKUNGEN DES HOMEOFFICE
Die radikale Umstellung auf die Arbeit von zu Hause, welche die Covid-19 Pandemie ab März diesen Jahres für viele Unternehmen mit sich brachte, hat neben wirtschaftlichen auch ökologische und soziale Dimensionen. Strom und Materialbedarf verlagert sich auf Privathaushalte, soziale Ungleichheiten reproduzieren sich und Mobilität erlebt eine Veränderung.
Aus Perspektive des Klimaschutzes ist die Vermeidung von Arbeitswegen und Geschäftsreisen zunächst positiv. So reduziere der Einsatz von Tele- und Videokonferenzen bis zu 20 Prozent der Geschäftsreisetätigkeit und damit 80 Millionen Tonnen CO2.[1]
Besonders das Flugverkehrsaufkommen, welches für 2,83 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist [2], ist um 85 Prozent gesunken. Die Virtualisierung der Arbeitswelt gibt also zunächst Hoffnungen auf daraus resultierende Emissionsreduktion. Tatsächlich berichtete der » Verband Deutsches Reisemanagement« jedoch von einer Zunahme an Geschäftsreisen in deutschen Unternehmen von ca. 8 Prozent, allein zwischen 2014 und 2018 [3]. Durch bessere, digitale Möglichkeiten der Vernetzung ist die Zusammenarbeit mit weltweiten Kontakten möglich. Das ist wiederum neuer Anlass zur Dienstreise. Diese sind zwar während der Pandemie eingeschränkt, es zeigt sich jedoch eine Tendenz der Zukunft, in denen der durch Covid-19 unumgängliche Anstoß zur digitalen Zusammenarbeit nicht zwangsläufig die Lösung des CO2 Problems bedeutet.
Das Argument, der Strom- und Materialbedarf steige mit zunehmender Verlagerung der Arbeitswelt in den digitalen Raum, wiegt jedoch nicht gegen die Einsparungen durch digitale Zusammenkünfte auf. Zwar stieg beispielsweise die Zahl der versendeten E-mails laut einer Studie durch HubSpot um durchschnittlich 20 Prozent gegenüber zur Situation vor der Pandemie[4]. Eine E-mail verursacht jedoch nur vier Gramm CO2-Äquivalente, mit Anhang bis zu 50 Gramm pro Mail.[5] Vergleicht man den Primärenergieaufwand einer Dienstreise mit dem einer Videokonferenz, ist dieser bei einer Dienstreise über 100 km mit dem Auto 30-mal geringer, bei einem Weg von 1000 km mit dem Flugzeug sogar 500-mal.[6]
Ein weiterer Aspekt der veränderten Mobilität durch das Homeoffice ist die weitgehend vereinfachte Work-Life Balance. So kann die Einsparung von Arbeitswegen genutzt werden, um sich privaten Themen zu widmen. In einer Analyse des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sind die positiven Auswirkungen einer stabilen Work-Life Balance unter anderem als Vereinfachung der Lebensplanung durch einfachere Vereinbarung von Familiengründung, Auslandsaufenthalten und ehrenamtlichen Tätigkeiten beschrieben. Dies wiederum habe eine Steigerung der Produktivität pro Erwerbstätigenstunde um 1,6 Prozent zu Folge, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im internationalen Vergleich und damit schließlich auch das Bruttoinlandsprodukt steigere.[7] Der weiterhin dargestellte Impuls von 191. Mrd. € durch steigende Erwerbstätigkeit und die skizzierte Bevölkerungsentwicklung für den Privatkonsum ist jedoch aus ökologischer Sicht wiederum kritisch zu betrachten, denn Konsum jeglicher Form beansprucht weltweit natürliche Ressourcen und belastet die Umwelt.
Auch aus sozialer Sicht ist das vermehrte Arbeiten von Zuhause kritisch zu betrachten. Im Homeoffice ist weiterhin die Reproduktion von Rollenbildern zu beobachten, in denen die Frau tendenziell einer Doppelbelastung von bezahlter Lohn- und unbezahlter Haushalts- und Betreuungsarbeit ausgesetzt ist (ebd.) Gerade in Verbindung mit Homeschooling und geschlossenen Betreuungseinrichtungen ist diese Situation auf Dauer nicht tragbar.
Die zunehmende Isolation und schwierige Abbildung menschlicher Kommunikation auf digitalem Wege hat »dramatische Folgen für Psyche- und Gesundheit«. Nicht nur tatsächliche soziale Isolation, sondern auch empfundene – die trotz Erreichbarkeit per Videokonferenz und Telefon entstehen kann – habe negative gesundheitliche und psychische Folgen, so Professorin Dr. Magdalena Bathen-Gabriel.[8] Auch die ständige Erreichbarkeit und die Aufhebung der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben bringt negative gesundheitliche Folgen mit sich. So werden im iga.Report 23 der AOK unter anderem Schlafstörungen, Magenschmerzen und Burn Out als Folgen einer solchen Belastung genannt. In dem Bericht wird als Umgang von Arbeitnehmendenseite empfohlen selbstständig zu entscheiden, wann es notwendig ist geschäftliche E-mails auch in der Freizeit zu empfangen. Beschäftigte sollen sich zeitliche und örtliche Freiräume schaffen. Für Unternehmen empfehle es sich die Themen Gesundheit und Work-Life-Balance in der Unternehmenskultur zu verankern und ernst zu nehmen. Auch die Erholung der Mitarbeitenden sollte für Unternehmen Priorität haben. [9]
Schließlich entsteht auch im digitalen Raum intersektionale Benachteiligung für sozial Schwächere. Trotz Verpflichtung des Arbeitgebers für geeignete Arbeitsmittel und Bedingungen zu Sorgen, fehlte es durch die schnelle Umstellung auf die Arbeit von zuhause oft an technischer Ausstattung. Hier sollte der Arbeitgeber seine Mitarbeitenden dringend unterstützen, um Benachteiligung vorzubeugen. Neben technischer Ausstattung fehlt ausreichender Platz und die Möglichkeit der fußläufigen Naherholung in oft dicht besiedelten sozial schwachen Wohngebieten. Hier sieht eine Forschungsgruppe des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Lerneffekte, welche die »Post-Corona-Stadt« beeinflussen werden. So wird die »Naherholung wichtiger, Städte müssen entsiegelt und Grünflächen geschaffen werden«. Hierfür müssen zukünftig städtische Gesundheits-, Sozial-, Umwelt- und Grünflächenpolitik stärker zusammen gedacht und in Stadtverwaltungen institutionell verzahnt werden. Auch der Raum für Fuß- und Fahrradverkehr muss ausgebaut werden, um die sinkende Attraktivität des ÖPNV durch hygienische Bedenken und den daraus resultierenden steigenden motorisierten Individualverkehr abzufangen[10].
Bereits vor der aktuellen Krise waren ungefähr zehn Prozent der Erwerbstätigen mindestens an einem Tag der Woche im Homeoffice. Der Trend geht hin zur digitalen Zusammenarbeit. Diese ist zunächst herausfordernd und gerade in der Alternativlosigkeit durch eine Pandemie nur schwer als gleichwertiger Ersatz zu sehen. Um das grundsätzlich große soziale und ökologische Potenzial auszuschöpfen, müssen zwischen Arbeitnehmendem und Arbeitgebendem klare Vereinbarungen über Arbeitsplatz und Arbeitszeit getroffen werden, um die langfristige Gesundheit der Mitarbeitenden sicher zu stellen. Weiterhin sollten ökologische Aspekte jeglicher Entscheidung berücksichtigt werden. Besonders Dienstreisen können so langfristig durch das Potenzial der digitalen Möglichkeiten ersetzt werden. Wenn es die Situation der Pandemie zulässt ist sicherlich auch eine Hybridform von digitaler Zusammenarbeit und der in Präsenz eine gewinnbringende Option.