ENTSCHEIDEN RICHTER STATT POLITIKER ÜBER KLIMASCHUTZ?

Dr. Charlotte Schmitz, Freie Journalistin

Sie wohnen an einer Straße mit hoher Feinstaubbelastung? Dann klagen Sie doch einfach wegen Verletzung Ihrer Menschenrechte. Eine zu hohe Belastung der Luft mit Feinstaub erhöht nachweislich das Risiko für Atemwegserkrankungen, Herzinfarkte und Lungenkrebs. Damit wird das Menschenrecht auf Leben und Gesundheit verletzt. In Artikel 2, Absatz 2 des Grundgesetzes ist das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit festgeschrieben.
Bereits 2008 – vor über zehn Jahren – hat der Europäische Gerichtshof beschlossen, dass deutsche Bürger einen »Aktionsplan gegen Feinstaubbelastung« einklagen können. Auslöser war ein Streit zwischen einem Münchner und der bayerischen Regierung um die Feinstaubbelastung auf dem vielbefahrenen Münchner Mittleren Ring. Bis heute liegt ein solcher Aktionsplan nicht vor.

Vielmehr verzögert die Bundesregierung effektive Maßnahmen für den Klimaschutz. Deshalb hat Ende vergangenen Jahres ein Bündnis bestehend aus Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), dem Solarenergie-Förderverein Deutschland und mehreren privaten Einzelklägern eine Klage in Karlsruhe eingereicht, weil die Klimapolitik der Regierung die Grundrechte auf Leben, Gesundheit und Eigentum verletzt. Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad seien nicht getroffen worden.

Es ist nicht neu, dass Deutschland der Verletzung von Menschenrechten beschuldigt wird. Amnesty International etwa kritisiert regelmäßig den Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen in Deutschland, Gewaltexzesse deutscher Polizisten sowie eine Mitverantwortung Deutschlands für Menschenrechtsverletzungen im Ausland, etwa beim Kampf gegen den Terror. Sozialverbände sehen die zunehmende Armut in Deutschland als Verletzung von Menschenrechten. Nun summiert sich der Mangel an Klimapolitik zu dieser Liste der Verstöße.

Eine weitere Klage gegen mangelnden Klimaschutz haben drei Biolandwirte mit ihren Familien gemeinsam mit Greenpeace eingereicht. Sie klagen ebenfalls an, die Regierung habe ihr Versprechen, den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2020 zu begrenzen, nicht umgesetzt. Sie sehen dies als Verstoß gegen ihr Grundrecht auf Leben und Gesundheit, Berufsfreiheit und Gewährleistung von Eigentum. Diese Klage ist vor dem Verwaltungsgericht Berlin anhängig.

Damit werden politische Debatten vor Gerichte verlagert. Ein politisches Handeln der Bundesregierung wird vor Gericht eingeklagt. Dies sagt viel über die Stagnation der Politik in diesem Land aus.