
Sportliche Großereignisse:
Triumph für den Sport, Niederlage fürs Klima?
Das Jahr 2024 war ein wahres Fest für Sportfans: Die Fußball-Europameisterschaft (EM) in Deutschland, die Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris und viele weitere Veranstaltungen ziehen Millionen Menschen an. Doch in Zeiten von Klimawandel und Ressourcenknappheit stellt sich die Frage: Wie nachhaltig können solche Mega-Events wirklich sein? Ist der grüne Anstrich vieler Initiativen ein ehrlicher Versuch, die Umwelt zu schützen, oder handelt es sich schlicht um Greenwashing? In diesem Blogbeitrag werfen wir einen kritischen Blick auf die Nachhaltigkeitsbemühungen bei zwei dieser Großveranstaltungen und beleuchten, was erreicht wurde – und wo noch Nachholbedarf besteht.
Fußballevents und Nachhaltigkeit – ein Widerspruch?
Die Diskussion um Nachhaltigkeit bei Fußballgroßveranstaltungen ist keineswegs neu. Ein Blick auf die Vergangenheit wirft jedoch Zweifel auf, ob solche Events überhaupt nachhaltig gestaltet werden können. Nehmen wir die FIFA-Weltmeisterschaft 2022 in Katar: Die Errichtung von acht neuen, hochmodernen Stadien in einem Land, das zuvor keine Fußballinfrastruktur dieser Größenordnung besaß, hat massive ökologische und soziale Auswirkungen hinterlassen. Neben den enormen CO₂-Emissionen durch den Bau und Betrieb der Stadien gab es Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen auf den Baustellen. Auch in Südafrika, das 2010 Gastgeber der Weltmeisterschaft war, sind die Folgen bis heute spürbar. Die teuren neuen Stadien stehen vielerorts leer oder werden kaum genutzt, während tausende Menschen für den Bau dieser “weißen Elefanten” aus ihren Heimatorten vertrieben wurden. Die Vergabe der kommenden Weltmeisterschaften wirft weitere Fragen auf: Die FIFA hat die WM 2030 an sechs Länder – Spanien, Portugal, Marokko, Uruguay, Paraguay und Argentinien – vergeben, eine Entscheidung, die allein durch die notwendige transkontinentale Logistik und die damit verbundenen Emissionen kaum mit Nachhaltigkeitszielen vereinbar scheint. Für die WM 2034 entschied sich die FIFA für Saudi-Arabien, ein Land mit einer fragwürdigen Menschenrechtslage, in dem zudem elf der insgesamt fünfzehn benötigten Stadien neu gebaut werden müssen. Der gigantische Ressourcenverbrauch und die zusätzlichen CO₂-Emissionen, die durch den Bau dieser Infrastruktur entstehen, stehen in krassem Widerspruch zu den oft propagierten Nachhaltigkeitsprinzipien des Weltfußballverbands.
All dies führt zu der berechtigten Frage: Können und wollen Fußballgroßveranstaltungen überhaupt nachhaltig sein?
Die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland sollte nicht nur sportlich, sondern auch ökologisch ein Vorbild sein. Schon vor Beginn des Turniers hatte die Bundesregierung ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele formuliert, die in Zusammenarbeit mit der UEFA, lokalen Organisationen und dem Umweltbundesamt weiterentwickelt wurden.
Die UEFA EURO 2024 stellte Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt des Turniers. Mit einem Budget von 29,6 Millionen Euro wurden umfassende Maßnahmen in den Bereichen Klimaschutz, nachhaltige Mobilität, Infrastruktur und Kreislaufwirtschaft umgesetzt, um die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Veranstaltung zu minimieren und positive Impulse für zukünftige Großveranstaltungen zu setzen.
CO₂-Fußabdruck
Die Gesamtemissionen der UEFA EURO 2024 wurden auf 320.000 Tonnen CO₂e geschätzt. Dabei entfielen 63 % auf die Mobilität der Zuschauenden und Teams, während 26 % durch Waren und Dienstleistungen verursacht wurden. Der Turnierbetrieb selbst verursachte 70.000 Tonnen CO₂e.
Im Vergleich zu einer Prognose, die auf den Daten früherer Großveranstaltungen basierte, konnten die Emissionen des Turnierbetriebs um 10 % reduziert werden. Die durch Zuschauerreisen verursachten Emissionen wurden um 24 % gesenkt. Diese Einsparungen wurden durch gezielte Maßnahmen wie den Einsatz erneuerbarer Energien und eine nachhaltige Mobilitätsstrategie erreicht.
Ein weiterer wichtiger Faktor war der Verzicht auf den Bau neuer Stadien. Alle Spiele fanden in bestehenden Stadien statt, wodurch zusätzliche Emissionen, die bei Neubauten üblicherweise entstehen, vermieden wurden.
Das Thema Mobilität war der größte Emissionstreiber des Turniers, weshalb hier verstärkt Maßnahmen umgesetzt wurden. Der Bereich Mobilität machte ganze 63 % des Co2-Gesamtfußabdrucks aus. 81 % der TicketinhaberInnen nutzten öffentliche Verkehrsmittel, die im Ticketpreis enthalten waren, und weniger als 5 % reisten mit dem Auto an. Verglichen mit der UEFA EURO 2016 wurden 75 % weniger Flüge durchgeführt, unter anderem durch die Clusterung der Spielorte.
Weitere Maßnahmen umfassten kostenfreie 36-Stunden-Nahverkehrstickets, ermäßigte Bahnfahrkarten sowie verbesserte Infrastrukturen für Fußgänger und Radfahrer in den Austragungsstädten.
Nachhaltige Infrastruktur
Die Infrastruktur des Turniers basierte auf der Nutzung erneuerbarer Energien und energieeffizienten Technologien. Alle 10 Stadien wurden vollständig mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben. Optimierte Generatoren führten zu Einsparungen von 673 Tonnen CO₂e. LED-Flutlichtanlagen und der vollständige Verzicht auf Generatoren im Internationalen Sendezentrum (IBC) reduzierten den Energiebedarf weiter.
Auch in den Fan-Zonen wurde auf Nachhaltigkeit geachtet. 100 % der Zonen nutzten zertifizierten grünen Strom, und Maßnahmen wie die Bereitstellung von kostenlosem Trinkwasser wurden umgesetzt.
Kreislaufwirtschaft
Das Abfallmanagement des Turniers orientierte sich am 4R-Prinzip (Reduzieren, Wiederverwenden, Recyceln, Rückgewinnen). Im Vergleich zur UEFA EURO 2016 wurde das Abfallaufkommen um 36 % gesenkt. Der Einsatz von Mehrwegbechern ermöglichte den Verzicht auf Einwegplastik bei 4,8 Millionen Getränken. Zudem wurden 40 Tonnen überschüssige Lebensmittel gespendet, um Abfälle zu vermeiden.
Ein Schritt in die richtige Richtung, aber reicht das?
Die UEFA EURO 2024 in Deutschland setzte wichtige Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit bei Großveranstaltungen um, doch das Ergebnis zeigt auch Grenzen. Zwar wurden 95 % der definierten Nachhaltigkeitsziele erreicht, dennoch blieben einige Ziele unerfüllt. So wurde beispielsweise der Anspruch, den Anteil regionaler Lebensmittel auf über 70 % zu erhöhen, verfehlt. Zudem bleibt die hohe Menge an CO₂-Emissionen trotz der Einsparungsmaßnahmen ein zentrales Problem. Der Gesamt-CO₂-Fußabdruck des Turniers lag bei 320.000 Tonnen CO₂e, zum Vergleich: Der durchschnittliche CO₂-Fußabdruck pro Person in Deutschland beträgt etwa 10,5 Tonnen CO₂-Äquivalente (CO₂e) pro Jahr. Alternativ entspricht dies den Emissionen von 1,6 Milliarden gefahrenen Kilometern mit einem durchschnittlichen Benzinauto – genug, um über 40.000 Mal die Erde zu umrunden. Diese Zahlen werfen die Frage auf, ob eine Veranstaltung mit solch einem erheblichen CO₂-Ausstoß in einer Zeit, in der der Klimawandel eine der dringendsten Herausforderungen ist, überhaupt noch tragbar ist.
Nachhaltigkeit bei Olympia 2024: Ambitionierte Ziele, aber offene Fragen
Auch die Olympischen Spiele 2024 in Paris sollten ein Vorbild für nachhaltige Großveranstaltungen sein und wurden mit ehrgeizigen ökologischen und sozialen Zielen geplant. Die Veranstalter versprachen einen Fokus auf Klimaschutz, Ressourcenschonung und soziale Verantwortung, um den ökologischen Fußabdruck der Spiele zu minimieren und die lokale Gemeinschaft zu stärken.
Klimaneutrale Energieversorgung und CO₂-Reduktion
Ein zentrales Ziel war die Reduktion der CO₂-Emissionen. Die Veranstalter kündigten an, den CO₂-Fußabdruck der Spiele, um etwa 50 % im Vergleich zu vorherigen Sommerolympiaden zu senken. Um dies zu erreichen, wurde darauf geachtet, dass der Energiebedarf der Veranstaltung fast vollständig durch erneuerbare Energien gedeckt wurde. Viele Sportstätten wurden dafür mit Solarpanels ausgestattet, und nicht erneuerbare Energien sollten durch „grünen Strom“ aus Quellen wie Windkraft und Wasserkraft ersetzt werden. Zusätzlich kam für die Beleuchtung ausschließlich energieeffiziente LED-Technologie zum Einsatz, um den Stromverbrauch weiter zu senken.
Nachhaltige Mobilität
Die OrganisatorInnen der Olympischen Spiele 2024 in Paris legten großen Wert auf eine klimafreundliche Mobilität, um den CO₂-Fußabdruck der Veranstaltung zu minimieren. Das Mobilitätskonzept setzte auf einen verstärkten Einsatz des öffentlichen Nahverkehrs: ZuschauerInnen und TeilnehmerInnen sollten primär Busse, Straßenbahnen und Metros nutzen, um individuelle Autonutzung zu vermeiden. Für den offiziellen Transport standen emissionsarme Elektro- und Wasserstofffahrzeuge zur Verfügung, um fossile Kraftstoffe zu reduzieren. Zusätzlich wurde die Fahrradinfrastruktur in Paris erweitert, um kürzere Strecken mit Fahrrädern und E-Scootern zurücklegen zu können. Für internationale Reisen plante das Organisationskomitee CO₂-Kompensationen.
Abfallvermeidung und Recycling als Leitprinzipien
Im Bereich Abfallmanagement verfolgten die OrganisatorInnen das Ziel, das Abfallaufkommen während der Spiele auf maximal 2.000 Tonnen zu begrenzen und mindestens 80 % davon zu recyceln oder wiederzuverwenden. Dazu gehörten Maßnahmen wie die Vermeidung von Einwegplastik, das Einrichten zahlreicher Recyclingstationen und der Einsatz von kompostierbarem Geschirr und Besteck. Ein praktisches Beispiel dafür waren die Trinkwasserstationen, die an verschiedenen Standorten aufgestellt wurden, um die Verwendung von Einweg-Plastikflaschen zu reduzieren. Zudem sollten wiederverwendbare Materialien in allen Bereichen Vorrang haben, um den Abfall weiter zu minimieren.
Wasserverbrauch und lokale Wertschöpfung
Auch der Wasserverbrauch war ein wesentlicher Bestandteil des Nachhaltigkeitsplans. Die Veranstalter setzten auf wassersparende Technologien, darunter Systeme zur Regenwassernutzung und sparsame Sanitäranlagen mit Durchflussbegrenzern und Sensorsteuerungen. Ziel war es, den Wasserverbrauch im Vergleich zu früheren Spielen um bis zu 30 % zu reduzieren.
Neben ökologischen Zielen betonten die Organisatoren die soziale Verantwortung der Spiele. Ein Großteil der verwendeten Produkte und Dienstleistungen – über 70 % – sollte aus der Region stammen, um die lokale Wirtschaft zu stärken und Transportemissionen zu verringern. Damit sollte nicht nur die Umwelt geschützt, sondern auch die regionale Wertschöpfung gefördert werden.
Verzögerungen bei der Transparenz
Die ambitionierten Pläne und Maßnahmen der OrganisatorInnen der Olympischen Spiele 2024 wirken vielversprechend – doch bleibt eine wesentliche Frage offen: Wurden die gesetzten Nachhaltigkeitsziele auch tatsächlich erreicht?
Eine Aktualisierung des Paris 2024 Sustainability & Legacy Pre-Games Report wurde angekündigt, um den Erfolg der Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit konkreten Zahlen und Ergebnissen zu belegen. Diese Aktualisierung sollte ursprünglich nach den Olympischen und Paralympischen Spielen erfolgen, doch der aktuelle Stand des Berichts bleibt auf dem Veröffentlichungsdatum Mai 2024. Monate nach dem Abschluss beider Veranstaltungen ist weiterhin keine aktualisierte Fassung verfügbar.
Große Sportevents und Nachhaltigkeit – Ein schwieriger Balanceakt
Sowohl die Europameisterschaft 2024 als auch die Olympischen Spiele in Paris zeigen, dass große Sportveranstaltungen zunehmend bemüht sind, nachhaltiger zu werden. Bei der EM gab es durchaus Erfolge, etwa durch den Einsatz erneuerbarer Energien. Auch die Olympischen Spiele haben mit Maßnahmen zur CO₂-Reduzierung, Ressourcenschonung und lokalen Wirtschaftsförderung Schritte in die richtige Richtung gemacht.
Dennoch bleibt die Frage bestehen, ob zentrale Großveranstaltungen in der heutigen Form wirklich sinnvoll sind. Die enormen logistischen und ökologischen Kosten stellen die Nachhaltigkeit solcher Events infrage. Ein denkbarer Ansatz, um den ökologischen Fußabdruck zu minimieren, wäre es, die Veranstaltungen zu verkleinern oder auf mehrere Länder zu verteilen. Das könnte es zudem ermöglichen, bei der Ticketvergabe vorrangig lokale Besucher anzusprechen und so den CO₂-Ausstoß durch internationale Flugreisen zu verringern. Doch solche Ideen stehen im Gegensatz zum traditionellen Ziel des IOC und der UEFA, globale Sportereignisse als ein Symbol der Zusammenkunft und des internationalen Austauschs zu gestalten.
Letztlich bleibt die grundlegende Frage: Wie lässt sich ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen den sozialen und wirtschaftlichen Vorteilen solcher Sportveranstaltungen und ihren ökologischen Kosten finden? Solange diese Balance nicht klar definiert ist, wird der Ruf nach nachhaltigeren, zukunftsorientierten Lösungen für die Ausrichtung großer Sportevents weiter bestehen.
Quellen:
- Amnesty International (2019)
- The Guardian (2022)
- Human Rights Watch (2022)
- MONOCLUMN (2010)
- Sportschau
- Maximilian Rieger (2024a)
- UEFA ENVIRONMENTAL, SOCIAL AND GOVERNANCE REPORT: Post-event assessment, (2024)